Bewegung bestimmt unser Leben

Wir wissen es alle, Bewegung ist wichtig für unsere Gesunderhaltung und ja, Bewegung ist Leben. Auch wenn wir regungslos daliegen und scheinbar nichts tun, sind wir dennoch in Bewegung, permanent.

Ohne unsere Atembewegung, die wir die meiste Zeit über oft gar nicht wahrnehmen, wären wir nicht mehr da. Glücklicherweise funktioniert diese Bewegung ohne unser bewusstes Zutun. Auch die peristaltische Bewegung des Darmes funktioniert die meiste Zeit ausserhalb unserer bewussten Wahrnehmung.

Ebenso beispielsweise die Bewegung unseres Blutes durch das venöse und arterielle System oder unsere Hirnaktivität, welche in Wellen darstellbar ist, zeigt auf- Bewegung geschieht immer und überall.

Warum den Körper bewegen?
Durch die aktive Bewegung unseres gesamten Körpers, beispielsweise bei etwas angeregterem Gehen, Joggen oder weiteren sportlichen Tätigkeiten werden die Bewegungen in unserem Körperinneren angeregt und unterstützt. Es geschehen ausserdem biochemische Reaktionen, welche Stress regulieren können.

Muskulatur und Ausdauer werden gestärkt, was sich besonders auf unseren Herzmuskel positiv auswirkt. Die Atmung wird vertieft. Ebenso können wir einen stabilisierenden Einfluss bewirkten auf unsere seelische Balance.

Bewegungsprogramm als Stressfaktor
Was aber, wenn das Bewegungsverhalten das Stresserleben sowie die objektiv messbaren Stressparameter verstärken?

In meiner Arbeit mit Burnout-Betroffenen in der Klinik ist Bewegung für viele Menschen ein essentieller Teil, um Stress und Emotionen zu regulieren.

Fakt ist aber bei vielen, dass sie exzessiv Sport betreiben, ihre Bewegungsprogramme rigide abspulen, absolut im Leistungsmodus und völlig abgekoppelt vom gegenwärtigen Bedürfnis unterwegs sind. Daraus resultiert, dass sie sich zwar kurzfristig regulieren können, gleichzeitig aber immer wieder über ihre physischen Grenzen hinaus gehen.

In der Sporttherapie in unserem Hause werden dafür spezifische Messverfahren zur Testung der körperlichen Reaktionen auf die sportliche Aktivität angewandt.

Ich spreche hier beispielsweise von Pulsmessungen während des Sports sowie der Berechnung der Erholungsphase nach dem Sport oder der Messung der Herzratenvariabilität.

Durch den chronischen Stress sinkt die spezifische Wahrnehmung für den eigenen Körper, weshalb es für unser Klientel äusserst aufschlussreich festzustellen ist, dass sie objektiv den Eindruck haben, stresstechnisch noch gut unterwegs zu sein, dann aber in den Messergebnissen zu sehen, dass sie sich beispielsweise schon lange im anaeroben Bereich mit zu hohem Puls befinden. Äusserst aufschlussreich ist dann auch zu sehen, wie die Herzratenvariabilität abnimmt. 

Bewegungsmuster von chronischem Stress
Chronisch gestresste Menschen bei meiner Arbeit zeigen häufig ein Bewegungsbild mit wenig Variabilität: Vorwiegend aufrecht in der senkrechten Achse, hohe muskuläre Anspannung, «weg» vom Boden, Bewegungen eher in den Extremitäten und weniger im Rumpf. Nach vorne gerichtet mit wenig Spielraum zur Seite hin. Ebenso der Blick ist eingeengt und kanalisiert nach vorne. Wenig Variation im Tempo, mechanische Ausführung, Atmung ausserhalb der sportlichen Bewegung zurückgehalten.

Es zeigt sich somit ein eingeengter Körper mit wenig Spielraum. Viele Menschen berichten, sie seien «Kontrollfreaks», es fühle sich eng in ihrem Körper an. Gegen die empfundene Schwere wird angekämpft, weshalb man sich aufrecht oder oben halten muss und somit wenig Kontakt zum Boden hat.

Um sich im eigenen Körper wieder wohler zu fühlen und um Stress auszugleichen, wird Sport getrieben. Mir fällt auf, dass sich die Stressmuster dabei oft in einer variierten Form wiederholen: Man bewegt sich noch schneller, man führt Sportarten aus, welche den Körper stark fordern und dann häufign genau im gegenteiligen Extrem enden und somit die Stressmuster noch verstärken.

Auch bei sanfteren Bewegungsmethoden wie beispielsweise dem Yoga stelle ich fest, dass mit gut gemeinter innerer Haltung leistungsorientiert geübt und sich wenig Bewegung ausserhalb der aufrechten bzw. senkrechten Achse und mit viel Spannung geübt wird.

Mit kreativer Bewegung aus dem Stressmuster ausbrechen
Mit kreativer Bewegung meine ich Bewegungen, welche sich in allen Raumrichtungen bewegen- also auch beispielsweise in die Diagonalen.

Ausserdem wird spielerisch oder fliessend zwischen den Raumebenen gewechselt. Das bedeutet: es wird nicht nur auf den Füssen stehend bewegt, sondern den Körper auch nach oben hin ausgedehnt oder am Boden liegend, rollend, abstossend etc. sich fortbewegend gearbeitet. Die 𝐓𝐚𝐧𝐳- 𝐮𝐧𝐝 𝐁𝐞𝐰𝐞𝐠𝐮𝐧𝐠𝐬𝐭𝐡𝐞𝐫𝐚𝐩𝐢𝐞 bedient sich hier gerne am Bewegungsrepertoire der frühkindlichen Bewegungsentwicklung.

Je spielerischer und variabler der Körper eingesetzt wird, umso mehr kann er sich aus festgefahrenen Stressmustern befreien. So wird mit unterschiedlichen Bewegungsqualitäten gearbeitet wie kontrollieren – loslassen, zart – kräftig, gehalten – fliessend, direkt – indirekt, eng – weit, schnell – langsam etc.

Den Ursachen von Stress auf die Schliche kommen
Forschen wir nach den Ursachen von Stress, führt nichts an den Gefühlen vorbei. Stress, weil der Mensch nicht «nein sagen» kann. Stress, weil der Mensch «es allen Recht machen will». Stress, weil der Mensch «dazugehören» möchte. Stress, weil der Mensch das Gefühl hat «nicht zu genügen». Stress, weil ein Trauerprozess nicht durchgelebt werden konnte. Stress, weil der Zugang zu eigenen Bedürfnissen erschwert ist- es gäbe wohl noch einige Beispiele mehr aufzuzählen.

Durch das Erlernen von unterschiedlichen Bewegungsqualitäten wird eine Verbindung zur eigenen Gefühlswelt geschaffen sowie die Körperwahrnehmung gesteigert. Das ergibt einerseits eine innere Klarheit über die eigene Gefühlssituation. Und andererseits entsteht durch die Erweiterung des Bewegungsrepertoires eine Möglichkeit, Gefühle aus dem Innen in’s Aussen zu transportieren, sie besser erleb- und sichtbar zu machen und somit deutlicher in Ausdruck zu bringen.

Mit der neu gewonnenen Klarheit ergibt sich wieder mehr Orientierung und Kreativität und Bewegung beginnt Spass zu machen.

Die Themen, welche definitiv mit Sport und Bewegung nicht längerfristig reguliert werden können, sollten mit professioneller Hilfe einer Fachperson aus dem Bereich Coaching oder Therapie bearbeitet werden.

Sportliche Bewegung darf trotzdem beibehalten werden und eine neue Qualität erhalten- aus der kurzfristigen und eventuell schädlichen in eine erfüllende und nachhaltige Regulation führen!

Tipp: Erinnere dich an Bewegungen aus deiner Kindheit zurück, welche dir Spass gemacht hatten. Oder beobachte kleine Kinder beim bewegen und probiere diese Bewegungen als Erwachsener aus.

  • Vielleicht balancierst du mal wieder auf einem Randstein
  • Springe wie Peppa Wutz in einer Pfütze rum
  • Tanze mit Schneeflocken oder Herbstblättern und spiegle ihre Bewegungen
  • Fläze auf deinem Wohnzimmerboden rum und bewege dich rollend und robbend durch deine Wohnung…

Viel Freude beim Ausprobieren!

P.S. Kennst du jemand, der sich für das Thema interessieren könnte oder davon betroffen ist? Teile diesen Blogbeitrag oder leite den Link weiter- herzlichen Dank!